In einem eindrucksvollen, dreistündigen Vortrag hat Herr Reiner Hofmann als Referent für ein vom Bayerischen Institut zur Kommunikationsförderung für Menschen mit Hörbehinderung GIB (Gesellschaft:Inklusion:Bildung) durchgeführtes Projekt zur Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe von Senioren mit Hörbehinderung den Teilnehmenden die unterschiedlichen Lebenswelten von schwerhörigen bzw. ertaubten Menschen und gehörlosen Personen nähergebracht.
Schwerhörigkeit und gesellschaftliche Wahrnehmung
Schwerhörigkeit wird leider häufig mit geistiger Beeinträchtigung gleichgesetzt. Aus diesem Grund neigen Betroffene dazu, ihre Hörbeeinträchtigung zu verbergen oder zu überspielen. Hörgeräte sollen möglichst unauffällig oder gar nicht sichtbar sein. Viele schwerhörige oder ertaubte Menschen haben langjährige Diskriminierungs-erfahrungen gemacht, was zu einem geringen Selbstwertgefühl, Unsicherheit, Ängsten, Stress, Ärger und nicht selten zu Scham führt.
Erschreckende Zahlen
Mehr als 13 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Beeinträchtigung des Hörens – aber nur rund 3 Millionen nutzen tatsächlich Hörgeräte. Angesichts der Tatsache, dass unbehandelte Schwerhörigkeit das Risiko für geistigen Abbau um über 40 % beschleunigt, ist dies ein besorgniserregender Fakt. Dieser weist darauf hin, dass laut verschiedener Studien eine unbehandelte Schwerhörigkeit im mittleren Lebensalter ein erhöhtes Risiko mit sich bringt, später an Demenz zu erkranken.
Gehörlosigkeit – eine eigene Kultur
Menschen, die von Geburt an gehörlos sind oder ihr Gehör vor dem siebten Lebensjahr (also vor Abschluss der Lautsprachentwicklung) verlieren, werden als gehörlos bezeichnet. Sie wachsen oftmals in eine eigenständige Gehörlosen-Gemeinschaft hinein. Die Kommunikation erfolgt primär über Gebärdensprache – ein visuelles, eigenständiges Sprachsystem mit eigener Grammatik und Syntax.
In der Vergangenheit wurde Gebärdensprache in Schulen für Gehörlose unterdrückt und abwertend als „Affensprache“ bezeichnet. So wurde beim Mailänder Kongress von führenden europäischen Gehörlosenpädagogen im Jahre 1880 generell die Gebärdensprache aus dem Unterricht verbannt und nur Sprechen zugelassen. Stattdessen mussten gehörlose Menschen mühsam Lippenlesen und Lautsprache erlernen – eine anstrengende Methode, die unter den Betroffenen entsprechend unbeliebt war.
Barrieren im Alltag
Menschen mit Höreinschränkungen benötigen mehr Zeit, um Inhalte zu verarbeiten. Wenn gesprochene Sprache zu schnell verschriftlicht wird – z. B. bei Filmen oder Vorträgen – kann manches verloren gehen, da die Informationsdichte und Geschwindigkeit zu hoch ist. Allerdings kann der angemessene Einsatz eines Schriftdolmetschers hilfreich sein. Es wird dabei gesprochene Sprache simultan auf einem speziellen PC mitgeschrieben, welche dann zum Mitlesen auf eine Leinwand projiziert wird. Auch komplexe Texte, etwa bei Anträgen oder Behördenformularen, können für hörgeschädigte Menschen deutlich schwerer verständlich sein.
Empfehlung: Unterstützung durch angepasstes Kommunikationsverhalten
Ein hilfreicher Ansatz zur besseren Teilhabe von hörgeschädigten Menschen: langsame und deutliche Sprache, kurze und klare Sätze, einfache Sprache, klare Strukturen und deutliche Aussprache in normaler Lautstärke. Dies erleichtert das Verständnis und trägt zu mehr Inklusion bei.
Der Vortrag ermöglichte einen eindrucksvollen Blick auf die besonderen Lebensumstände von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen und gehörlosen Personen und förderte bei den Zuhörenden ein tieferes Verständnis für deren Herausforderungen und Bedürfnisse.